Der
Vampyr,
oder:
Die Todtenbraut.

Ein Roman
nach neugriechischen Volkssagen.

Von
Theodor Hildebrand.

Erster Theil.

Leipzig, 1828.
bei Christian Ernst Kollmann.

Der
Vampyr,
oder:
Die Todtenbraut.

Erstes Kapitel.

Ein unglückliches, aber unverdientes Schicksalzwang den russischen Obersten AlfredLobenthal, im Jahr 1818 seinen Abschiedzu nehmen. Er begab sich nach Berlin, seinemGeburtsorte, wo er gern sein Lebenbeschlossen haben würde; aber sein Verhängnißhatte es anders über ihn bestimmt. Nacheinem kaum halbjährigen Aufenthalte in dieserprächtigen Königsstadt trat Alfred einesMorgens tief bekümmert in das Zimmer seinerGemahlin und kündigte ihr an, daß einegebieterische Nothwendigkeit ihn zwinge, Berlinzu verlassen und in einer entfernten Gegendeinen einsamen Aufenthaltsort zu suchen,wo sie in Ruhe und Frieden leben könnten.

Helene, die Gemahlin des Obersten,erschrak über diese Neuigkeit, aber sie verlorden Muth nicht. Sie liebte ihren Gattenzärtlich, und ward eben so von ihm wiedergeliebt; den übrigen Theil ihres Glücks machtenihre Kinder aus, und wo sie sich auchbefinden mochte, so war sie zufrieden, wennsie nur von ihren Lieben nicht getrenntwurde; die Augenblicke der Muße, die ihrdie Pflichten als Mutter und Hausfrau nochübrig ließen, drohten nirgends, ihr Langeweilezu machen, weil Musik und Malereidiesen Feind der Ruhe von ihr verscheuchenkonnten. Daher war sie auch eben nicht betrübt,als sie die unerwartete Neuigkeit erfuhr;kaum fragte sie ihren Gatten nach derUrsach dieses plötzlichen Entschlusses. Nurdas wünschte sie zu wissen, ob vielleicht seinepolitischen Meinungen abermals Alfred’s Sicherheitin Gefahr setzten. Nachdem sie hierüberberuhigt worden, und erfahren hatte,daß der Bankerott eines bedeutenden Handelshausesihn um einen großen Theil seinesVermögens bringe, weßhalb es nothwendigsei, einige Jahre in der größten Zurückgezogenheitzu leben: umarmte sie ihren Gattenvoll Zärtlichkeit und versicherte ihn, daß sieohne Mühe das Geräusch der Hauptstadt mitder Einsamkeit des Landlebens vertauschenwürde.

Der Oberst betrieb seine Abreise mitder größten Eilfertigkeit. Er wollte nichteinmal den Verkauf seines prächtigen Mobiliar’sabwarten, sondern bat einen Freund,dieses Geschäft an seiner Stelle zu übernehmen;und schon am folgenden Tage nach derMittheilung seines Entschlusses an seine Fraureisete er mit ihr und seinen Kindern, nurvon einem einzigen Bedienten begleitet, ab,ohne von seinen Bekannten und VerwandtenAbschied genommen zu haben.

Sobald Alfred das Thor hinter sichhatte, schien er gleichsam von einer großenLast befreit zu sein. Seine Blicke, die unruhighier und dort umherirrten, so langeer sich in der Stadt sahe, nahmen plötzlichden Ausdruck der Ruhe an, als er sich imFreien befand; er schien jetzt freier athmenzu können, und seiner Frau lebhaft die Handdrückend, rief er aus: „En

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