Die Briefe, welche hier erscheinen,werden gewiß als eine willkommeneZugabe zu den gesammelten Werken Wilhelm von Humboldts empfangen werden.Oft ist der Wunsch ausgesprochen, daß, außer den gelehrten Schriften,die man allein und getrennt von denen wünschte, die nicht in dieses Fachgehören, noch mehr Ungedrucktes, besonders Briefe, erscheinen möchten.Die hier vorliegenden fallen in die Jahre von 1788 bis 1835. Jahre warennötig, bis die Herausgeberin den Entschluss fassen und festhaltenkonnte, von dem, was ihr verborgenes Heiligtum war, etwas durch denDruck mitzuteilen. Endlich überzeugte sie sich, daß das nicht untergehendarf, was wesentlich zur Charakteristik eines wahrhaft großen Mannesgehört.
Was Wilhelm von Humboldt in bewegter, geschichtlich-wichtiger Zeit demStaat war; was er voll hoher Humanität und edler Freisinnigkeit denVölkern, der Menschheit leistete; was er für Wissenschaft undGelehrsamkeit erforschte, bewahrt die Geschichte und verzeichnet ihrGriffel auf unvergängliche Tafeln. Aber in dem unerschöpflichen Reichtumder Gedanken, der Tiefe der Empfindung, der Mannigfaltigkeit, Höhe undReinheit der Ideen, worin der Verewigte lebte, waltete vor allem – wieder edle Bruder sich ausdrückt – »das herrliche Gemüt, die Seele voll6Hochsinn und Adel«, die ihn belebte. Und wer kleidete seine Gesinnungenin eine so kraftvolle und würdige Sprache! Doch ist diese, wie schön sieauch war, nur die äußere Schale und Hülle des hohen Geistes. Die ihminwohnende Seele war: ein ganz uneigennütziger, sich immer selbstverleugnender, starker, ganz selbstloser Wille; mit diesem verband sichder tiefe Sinn, der heilige Ernst, der der Wahrheit entstammt, die Machtder Überzeugung, die liebevollste Schonung, die Milde im Urteilen, undder unendliche Zauber der zartesten Empfindung, der alles umfaßte.
Alles das spricht sich hinreißend in diesen Briefen an eine Freundinaus, die nach dem Ableben derselben für den Druck hinterlassen worden.Außerdem, daß sie den Verfasser verklären, könnte in der Herausgabe nochein anderer, höher belohnender Zweck erkannt werden: die Briefe wirktensehr wohltätig einst bei jedem Empfange. Sie waren an eine vom Glückvergessene Freundin geschrieben, für sie gedacht und empfunden, diesersollten sie segensvoll werden, und sie erreichten ihren Zweck. Siekönnen nur so auf die Leser wirken, für welche sie ausgewählt sind.Bleibt ja von großen Menschen ihr Geist, oder was aus ihm hervorging,fortwirkend der Nachwelt, wenn er gleich selbst die Welt verlassen hat.
Die Briefe sind nicht für jedermann, wie das kein Buch ist. Aber essind, für die rechten Leser und Leserinnen, reiche mannigfache Gaben,7die allerdings immer auf einen Gegenstand sich bezogen, wo sie vollVerehrung und Dankbarkeit empfangen wurden. Sie berührten das Außenlebennur, um einen Anknüpfungspunkt für Ideen daraus zu nehmen. Sie gingenhervor aus einem uners