Der Lichtkreis

 

 

 

 

Grabbes doppeltes Gesicht
von
Manfred Georg

 

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Verlagslogo

Edwin Runge, Verlagsbuchhandlung
Berlin-Lichterfelde

 

 

 

 

Alle Rechte vorbehalten

 

 

 

 

Druck der Spamerschen Buchdruckerei in Leipzig

 

 

 

 

Meinem Vater

 

 

 

 

Wer kennt nicht auf den Schulhöfen die Jungens, dieabseits vom lärmenden Spiel der Altersgenossen ihrePausen kümmerlich vertrauern? Die gedrückter noch scheinenin der freien Luft und in der Losgebundenheit der Freizeitals auf den Bänken der Klassenzimmer? Und die doch abendsin den Stuben dahinträumen, mit unglücklichen und glänzendenAugen zugleich, die in Sehnsucht und phantastischemWunsch inneren Welten zugekehrt erscheinen. Meist linkisch,verschüchtert verschwenden sie sich, wenn sie aus ihrer Zurückhaltunghervorgereizt werden, in einem kurzen, besinnungslosenKraftrausch und leben dann zusammensinkend eine Jugend,die mehr von außen bestimmt ist, als sie ahnen und wahrhabenwollen. Die Welt des Knabentums, von Abenteuernund Wundern riesig erfüllt, lockt sie an. Sie glänzt in die Gesichtedes Schlafs, wird Wirklichkeit in einsamen Spielen underhält Bestätigung in den heimlich verschlungenen Büchern.Aber wo diese Knaben in den harten Rhythmus des hellenTages geraten, da werden sie nach scharfem Zusammenprallrasch wieder ausgeschieden und kehren, um die Erfahrungender Realität reicher und ärmer in eins, in ihre unsichtbareWelt zurück.

Jetzt aber fängt im Lauf der Jahre ihr Schicksal an abzurollen.Nach innen wird alles in ihnen weich, aufblühend,empfänglich. Nach außen aber krustet sich Schale für Schaleum diesen Kern und trotzig, widerhaarig, in der Verlegenheitoft betont burschikos und maßlos wird diese Art Mensch, dendie hastige Lieblosigkeit der Mitmenschen, in rascher Bequemlichkeitsub Eigenbrödler, Kauz oder verrücktem Sonderlingregistriert. Dort, wo der also Bezeichnete ein schöpferischWerkender ist, fügt man noch für sein Verhalten in irgendeinemFalle die Erklärung „Künstlerlaune“ hinzu und glaubtdamit auf der Höhe der Erkenntnis zu sein. Täuschen wiruns nicht. Gerade in den heutigen Läuften, wo man jede nurim geringsten regelwidrige Tat schon an großen Ausnahmegesetzenmißt, wo ebenso differenzierte und umfassende Kenntnissewie geläuterte Menschlichkeit voranssetzende Erforschungs-und Heilungsmethoden wie die der (längst in ihrer Isoliertheitvom Entstehenszentrum unfruchtbar gewordene) Psychoanalysein die Hände jedes Dilettanten geraten sind, gerade jetzt istman an Hand rasch entwickelter und volkstümlich gewordenerSchlagworte bereit, einen Menschen „wissenschaftlich“ abzustempeln.Vor lauter Wissen ist die menschliche Nähe gegenüberdem anderen verlorengegangen, vor lauter Resultatendas Forschungsbemühen lahm geworden. Man könnte manchmaldas Heulen bekommen, wenn man liest, mit wieviel pharisäischemHochmut jetzt oft

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