1917
S. Fischer, Verlag, Berlin
Alle Rechte vorbehalten, besonders die der Übersetzung;
für Rußland auf Grund der deutsch-russischen Übereinkunft.
Copyright 1915 S. Fischer, Verlag, Berlin.
Daß ich nicht vergesse —.
Ein sanfter Pfiff von der Straße herauf. Metallisches Anlaufen,Schnurren, Knistern. Ein Schlag gegen meinen knöchernenFederhalter.
Daß ich nicht vergesse —.
Was denn?
Ich will das Fenster schließen.
Die Straßen haben sonderbare Stimmen in den letztenJahren bekommen. Ein Rost ist unter die Steine gespannt;an jeder Stange baumeln meterdicke Glasscherben, grollendeEisenplatten, echokäuende Mannesmannröhren. Ein Bummern,Durcheinanderpoltern aus Holz, Mammutschlünden, gepreßterLuft, Geröll. Ein elektrisches Flöten schienenentlang. MotorkeuchendeWagen segeln auf die Seite gelegt über dasAsphalt; meine Türen schüttern. Die milchweißen Bogenlampenprasseln massive Strahlen gegen die Scheiben, ladenFuder Licht in meinem Zimmer ab.
Ich tadle das verwirrende Vibrieren nicht. Nur finde ichmich nicht zurecht.
Ich weiß nicht, wessen Stimmen das sind, wessen Seelesolch tausendtönniges Gewölbe von Resonanz braucht.
Dieser himmlische Taubenflug der Aeroplane.
Diese schlüpfenden Kamine unter dem Boden.
Dieses Blitzen von Worten über hundert Meilen:
Wem dient es?
Die Menschen auf dem Trottoir kenne ich doch. Ihre Telefunkensind neu. Die Grimassen der Habgier, die feindlicheSattheit des bläulich rasierten Kinns, die dünne Schnüffelnaseder Geilheit, die Roheit, an deren Geleeblut das Herzsich klein puppert, der wässerige Hundeblick der Ehrsucht,ihre Kehlen haben die Jahrhunderte durchkläfft und sie angefülltmit — Fortschritt.
O, ich kenne das. Ich, vom Wind gestriegelt.
Daß ich nicht vergesse —.
Im Leben dieser Erde sind zweitausend Jahre ein Jahr.
Gewinnen, Erobern; ein alter Mann sprach: „Wir gehenund wissen nicht wohin. Wir bleiben und wissen nicht wo.Wir essen und wissen nicht warum. Das alles ist die starkeLebenskraft von Himmel und Erde: wer kann da sprechenvon Gewinnen, Besitzen?“
Ich will ihm opfern hinter meinem Fenster, dem weisenalten Manne,
Liä Dsi
mit diesem ohnmächtigen Buch.
Auf den Bergen Tschi-lis, in den Ebenen, unter dem allesduldenden Himmel saßen die, gegen welche die Panzer undPfeile des Kaisers Khien-lung gerüstet wurden. Die durchdie Städte zogen, sich über die Marktflecken und Dörfer verbreiteten.
Ein leiser Schauer ging durch das Land, wo die „WahrhaftSchwachen“ erschienen. Ihr Name Wu-wei war seit Monatenwieder in allen Mündern. Sie