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Gespräche für Freimaurer
Gotthold Ephraim Lessing
Woran denks du, Freund?
An nichts.
Aber du bist so still.
Eben darum. Wer dekt, wenne er geniesst? Und ich geniesse deserquickenden Morgens.
Du hast recht; und du hättest mir meine Frage nur zurückgeben dürfen.
Wenn ich an etwas dächte, würde ich darüber sprechen. Nichts gehtüber das laut denken mit einem Freund.
Gewiss.
Hast du des schönen Morgens schon genug genossen, fällt dir etwas ein:so sprich du Mir fällt nichts ein.
Gut das!—Mir fällt ein, dass ich dich schon längst um tewas fragenwollen.
So frage doch.
Ist es wahr, Freund, dass du ein Freimäurer bist?
Die Frage ist eines, der keiner ist.
Freilich!—Aber antworte mir geradezu.—Bist du ein Freimäurer?
Ich glaube es zu sein.
Die Antwort ist eines, der seiner Sache eben nicht gewiss ist.
O doch! Ich bin meiner Sache so ziemlich gewiss.
Denn du wirst ja wohl wissen, ob und wenn und wo und von wem duaufgenommen worden.
Das weiss ich allerdings; aber das würde so viel nicht sagen wollen.
Nicht?
Wer nimmt nicht auf, und wer wird nicht aufgenommen!
Erkläre dich.
Ich glaube ein Freimäurer zu sein; nicht sowohl, weil ich von älterenMaurern in einer gesetzlichen Loge aufgenommen worden: sondern weilich einsehe und erkenne, was und warum die Freimäurerei ist, wenn undwo sie gewesen, wie und wodurch sie befördet oder gehindert wird.
Und drückst dich gleichwohl so zweifelhaft aus?—"Ich glaube einer zusein!"
Dieses Ausdrücks bin ich nun so gewohnt. Nicht zwar, als ob ichMangel an eigner Ueberzeugung hätte: sondern weil ich nicht gern michjemanden gerade in den Weg stellen mag.
Du antwortest mir als einem Fremden.
Fremder oder Freund!
Du bist aufgenommen, du weisst alles.
Andere sind auch aufgenommen und glauben zu wissen.
Könntest du denn aufgenommen sein, ohne zu wissen, was du weisst?
Leider!
Wieso?
Weil viele, welche aufnehmen, es selbst nicht wissen, die wenigen aber,die es wissen, es nicht sagen können.
Und könntest du denn wissen, was du weiszt,