Gegen Ende des Sommers, während der Pest in Kroatien, hatte HerrWehmüller, ein reisender Maler, von Wien aus einen Freund besucht,der in dieser östreichischen Provinz als Erzieher auf dem Schlosseeines Grafen Giulowitsch lebte. Die Zeit, welche ihm seine Geschäftezu dem Besuche erlaubten, war vorüber. Er hatte von seiner jungenFrau, welche ihm nach Siebenbürgen vorausgereist war, einen Brief ausStuhlweißenburg erhalten, daß er sie nicht mehr länger allein lassenmöge; es erwarte ihn das Offizierkorps des dort liegendenhochlöblichen ungarischen Grenadier—und Husarenregiments sehnsüchtig,um, von seiner Meisterhand gemalt, sich in dem Andenkenmannigfaltiger schöner Freundinnen zu erhalten, da ein naherGarnisonswechsel manches engverknüpfte Liebes—und Freundschaftsbandzu zerreißen drohte. Dieser Brief brachte den Herrn Wehmüller ingroße Unruhe, denn er war viermal so lange unterwegs geblieben alsgewöhnlich und dermaßen durch die Quarantäne zerstochen unddurchräuchert worden, daß er die ohnedies nicht allzu leserliche Handseiner guten Frau, die mit oft gewässerter Dinte geschrieben hatte,nur mit Mühe lesen konnte. Er eilte in die Stube seines FreundesLury und sagte zu ihm: "Ich muß gleich auf der Stelle fort nachStuhlweißenburg, denn die hochlöblichen Grenadier—undHusarenregimenter sind im Begriff, von dort abzuziehen; lesen Sie,der Brief ist an fünf Wochen alt." Der Freund verstand ihn nicht,nahm aber den Brief und las. Wehmüller lief sogleich zur Stubehinaus und die Treppe hinab in die Hauskapelle, um zu sehen, ob erdie 39 Nationalgesichter, welche er in öl gemalt und dort zumTrocknen aufgehängt hatte, schon ohne große Gefahr des Verwischenszusammenrollen könne. Ihre Trockenheit übertraf alle seine Erwartung,denn er malte mit Terpentinfirnis, welcher trocken wird, ehe mansich umsieht. Was übrigens diese 39 Nationalgesichter betrifft,hatte es mit ihnen folgende Bewandtnis: Sie waren nichts mehr undnichts weniger als 39 Porträts von Ungaren, welche Herr Wehmüllergemalt hatte, ehe er sie gesehen. Er pflegte solcherNationalgesichter immer ein halb Hundert fertig bei sich zu führen.Kam er in einer Stadt an, wo er Gewinn durch seine Kunst erwartete,so pflegte er öffentlich ausschellen oder austrommeln zu lassen: derbekannte Künstler, Herr Wehmüller, sei mit einem reichassortiertenLager wohlgetroffener Nationalgesichter angelangt und lade diejenigenunter einem hochedlen Publikum, welche ihr Porträt wünschten,untertänigst ein, sich dasselbe, Stück vor Stück zu einem Dukaten inGold, selbst auszusuchen. Er fügte sodann noch, durch wenigeMeisterstriche, einige persönliche Züge und Ehrennarben oder dieIndividualität des Schnurrbartes des Käufers unentgeltlich bei; fürdie Uniform aber, welche er immer ausgelassen hatte, mußte nachMaßgabe ihres Reichtums nachgezahlt werden. Er hatte dieseVerfahrungsart auf seinen Kunstreisen als die befriedigendste fürsich und die Käufer gefunden. Er malte die Leute nach Belieben imWinter mit aller Bequemlichkeit zu Haus und brachte sie in derschönen Jahreszeit zu Markte. So genoß er des großen Trostes, daßkeiner über Unähnlichkeit oder langes Sitzen klagen konnte, weil sichjeder sein Bildnis fertig nach bestimmtem Preise, wie einen Weck aufdem Laden, selbst aussuchte. Wehmüller hatte seine Gattinvorausgeschickt, um seine Ankunft in Stuhlweißenburg vorzubereiten,während er seinen Vorrat von Porträts bei seinem Freunde Lury zu dergehörigen Menge brachte; er mußte diesmal in vollem Glanze auftreten,weil er in einer Zeitung gelesen. Ein Maler Froschauer ausKlagenfurt habe dieselbe Kunstreise vor. Dieser aber