EIN GESPRÄCH DES DICHTERS
MIT DEM
ERZENGEL UND LUZIFER
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KURT WOLFF VERLAG • LEIPZIG
BÜCHEREI „DER JÜNGSTE TAG“ • BAND 1
GEDRUCKT BEI POESCHEL & TREPTE • LEIPZIG
DEM ANDENKEN
GUISEPPE VERDIS
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Der Dichter:
Sie haben vor den Pyramiden Aida aufgeführt.Ich jauchzte, als ich die superbe Auffahrtvor den berühmten Jahrtausenden sah.
Und diese Beleuchtungen, diese Fanfaren,diese Musik, die all die liebgewonnenenTheaterschicksale in luxuriös unsterblicheMelodien setzt. Ich war diesen Nachmittagso glücklich. Nichts als ein Kultus, ein ewigerKniefall für dich, Miß Olivia. Warumhast du mir das getan? Wo ich doch jenesglückliche Lachen hatte, das in mir Tribünenund Automobile, Fellachen und Ladies,Sphynxe und Statistenbäuche, Kamele undWiener Kaffees tanzen ließ.
Warum mußtest du sagen, daß ich jenembraunen, o-beinigen Baritonisten ähnlichsehe! Weißt du denn nicht, wie eitel ichbin? Mußt du mich täglich zerschmettern?Das erstemal, als wir uns in Luzern auf derReunion im Hotel National sahen und ichdich bebend, wie kein Kaiser vor einem Staatsstreich,zum Twostep aufforderte . . . schweige,Mensch! Unsäglicher Schlemihl. Alles umdich siegt.
Nur du bist dumpf und zitterst vor jedembißchen Leben, das du großartig das äußerenennst, und das dich, wenn du sicher bist,so seltsam gleichgültig läßt. Jeder Kellnerunterjocht dich, jede Dirne blamiert dich.
Apropos, peinige nur dein Herz. In einemMünchener Weinlokal, hat nicht ein Herraus Magdeburg, ein Statistiker des jährlichenNiederschlages, ein Wetterprophet,ein Kerl wie Weißbier, die süße Erika, diedu wie ein Legendenwesen behandeltest, vondeiner Seite gerissen?
Womit? Gott, ich muß zu meiner Schandegestehen, ich war die bessere Wurzen. —Womit?Mit welchem Heroentum? Er bestelltebei der Musik das Lied „Zeppelin kommtnach Berlin“, schlug mit den Fäusten denTakt, sprühte hinter seinem Zwicker, war einedurchwärmte, anschmelzende Büste von Vertraulichkeitund lustigem Wohlwollen . . .und hin war alles.
Das ist das Gesicht der Sieger!
Und du, Miß Olivia. Wie nenn’ ich dich?
Du Element, du Abend, du leiblos Üppige,du Regen im Saal!
Ich, ich sollte eifersüchtig sein!
Haha, hätt’ ich doch wenigstens die menschlicheKraft dazu.
Aber im Grunde verehre ich die anderen.
Das sind große Herren, in sich, voll Ruhe,Gemessenheit und Mittelpunkt. Sie habendas Leben wie sie’s wollen. Heute und morgenist ihnen ein Ziel. Was daneben geht einMalheur. Und du, Miß Olivia, was bist duihnen? Etwas, was man erreichen und besitzenkann.
Begreift dich denn einer?
„Gemach,“ falle ich mir selbst ins Wort,„willst du denn etwas anderes als erreichtund besessen werden? Du rechnest nur zu gut.Alles, was du tust, ist Rechnung.“ Und ichfühle in diesem Moment wieder bis insMark, wie ich Narr des Zufalls dir fremdund widerlich sein muß.
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