Die Weiber am Brunnen
Ein Verzeichnis
der Werke Knut Hamsuns
findet sich am Schluß
dieses Buches
Roman
von
Knut Hamsun
Einzige berechtigte Übersetzung
aus dem Norwegischen
von
Pauline Klaiber-Gottschau
11. bis 15. Tausend
Albert Langen, München
1922
Copyright 1921 by Albert Langen, Munich
Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung, auch für Rußland,
vorbehalten
Knut Hamsun Albert Langen
Großstadtmenschen haben kein Verständnis für die Maßeund Größenverhältnisse der Kleinstadt. Sie meinen, siedürften nur daherkommen, sich auf den Marktplatz aufstellenund sich überlegen lächelnd umschauen, dürften sichüber die Häuser und das Straßenpflaster lustig machen,ja, das denken sie oftmals. Aber können sich nicht dieälteren Leute in der Kleinstadt noch an die Zeit erinnern,wo die Häuser noch kleiner und das Pflaster noch schlechtergewesen waren? Sie haben es erlebt, daß der Ort vorwärtskam.Und jedenfalls hat Johnsen am Landungsplatzein mächtiges Haus bekommen, ein geradezu herrschaftlichesHaus; es hat eine Veranda unten und einenAltan darüber und Schnitzwerk das ganze Dach entlang.Viele andere kostspielige Gebäude sind auch entstanden: dieSchule, der Speicher am Landungsplatz, verschiedene Kaufmannshäuser,das Zollhaus, die Sparkasse, nein, manbraucht nicht über die Kleinstadt zu lächeln. Es ist sogareine Art Vorstadt da: auf den Felsenhügeln nach der Werftzu wohnen wohl etliche zwanzig Familien; die hübschenkleinen Häuser sind je nach dem Geschmack des Besitzersrot oder weiß angestrichen. Und im übrigen fehlt es auchfür Großstädte nicht an Zeiten des Auf- und Niedergangs,das ist ganz gewiß; aber hatte man je gehört, daß Johnsenam Landungsplatz einmal mit leeren Händen dagestandenund sich nicht zu helfen gewußt hätte?
So haben also auch die kleinen Städte ihre Größen,ihre festgegründeten Häuser mit vornehmen Söhnen undTöchtern, ihre Unveränderlichkeit und ihr Ansehen. Unddie Kleinstadt ist von ihren Großen hingenommen und verfolgtalles mit reger Teilnahme; die guten Kleinstädtersorgen eigentlich gerade dadurch für das eigene Wohl undWehe ihres Lebens, sie leben im Schutze der Macht und[S. 6]gedeihen dabei. Und so soll es auch sein. Die Leute entsinnensich des Tages, wo Johnsen am LandungsplatzKonsul wurde; da gab es Getränke und Kuchen für jeden,der in seinen Laden kam, und verschiedene hatten auch garkeine Scham im Leibe und ließen zweimal ihre Gläserfüllen.
An jenem Morgen war der Fischer Jörgen genau wiejetzt auch draußen auf See und holte Fische zu einemgroßen Gastmahl. Es war ein glänzender, festlicher Tag;der neue Konsul war noch so jung, daß er die Arme weitausbreitete, außerdem war er so natürlich und so leutselig,daß er Wein, Weiber und Gesang liebte, die ganze Stadtwar bei ihm eingeladen. Jawohl, und alles ging ausgezeichnet.Das Ganze wurde in der Zeitung besprochen;auch daran erinnern sich die Leute heute noch, und dieWeiber redeten sogar am Brunnen miteinander darüber.Manchmal keiften sie um ganze Kleinigkeiten. Lydia konntesagen: „Sollte ich das nicht wissen, wo ich doch den ganzenTag in der Küche dabei gewesen b