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von
Professor der Philosophie in Breslau.
Inhalt.
Einleitung.
Die "Resignation" des tragischen Helden.
Die "poetische Gerechtigkeit".
Schuld und "Strafe".
Die "sittliche Weltordnung".
Das Ende der "poetischen Gerechtigkeit".
Die "vorübergehende Schmerzempfindung".
Das Mitleid.
Genaueres über die Bedeutung des Leidens.
Die Bestrafung der Bösen und die Macht des Guten.
Zwei Gattungen der Tragödie.
Tragödie und ernstes Schauspiel.
Die poetische Motivierung.
Der Untergang des Helden.
Schluß.
So wenig wie die künstlerische Thätigkeit, ebenso wenig ist auch unserKunstgenuß bedingt durch die verständesmäßige Einsicht in die Gründe,auf denen die Wirkung des Kunstwerkes beruht. Und es ist gut, daß essich so verhält. Wäre es anders, aller Kunstgenuß geriete ins Schwanken.Vor allem dürfte kein tragisches Kunstwerk auf eine sichere und beiallen gleichartige Wirkung rechnen. So groß ist die Unsicherheit undGegensätzlichkeit der Anschauungen über den "Grund unseres Vergnügensan tragischen Gegenständen."
Die verstandesmäßige Einsicht bedingt nicht den Kunstgenuß. Aber dievermeintliche Einsicht, die falsche Theorie vermag ihn empfindlich zuschädigen. Nicht bei solchen, die die Theorie haben, aber klug genugsind, von ihr angesichts des Kunstwerkes keinen Gebrauch zu machen; diesich zu Hause an ihrer Theorie der Tragödie, im Theater an der Tragödieerfreuen. Sie schaffen sich nur einen doppelten Genuß. Für sie ist dieTheorie ein Luxus, den man ihnen wohl gönnen mag. Wohl aber muß diefalsche Theorie Schaden stiften bei denjenigen, die damit praktisch Ernstmachen. Sie suchen, durch die Theorie verleitet, im Kunstwerk, was dieTheorie vorschreibt, und finden natürlich, was sie suchen. Und sieübersehen mit ihrem durch die Theorie mißleiteten Blick, was dasKunstwerk bieten will und bietet.
Vielleicht beruht die falsche Theorie immerhin auf ästhetischem Boden;sie ist hervorgegangen aus oberflächlicher und einseitiger Betrachtungdes Kunstwerkes. Dies ist der bei weitem günstigere Fall. Schlimmer istes, wenn eine der Kunst fremde Theorie, eine Welt- oder Lebensauffassung,wie sie der "Philosoph" aus der Betrachtung der Wirklichkeit gewonnenoder in seinen Mußestunden erträumt hat, dem Kunstwerk untergeschoben,und dies zum Mittel gemacht wird, jene Welt- oder Lebensauffassung zuverkündigen oder zu bestätigen.
Es giebt eine Weltanschauung, die, ausgehend von der Betrachtung desLeides in der Welt, zur Überzeugung gelangt, daß es besser wäre, dieWelt wäre nicht. Das Leid in der Welt fordere eine Erlösung. Diesesei gegeben in der Abkehr vom Leben, der Preisgabe des Daseins, der"Weltüberwindung" in diesem Sinne. Im Aufhören des Daseins, im Nichtseinalso, sei die Disharmonie der Welt in "Harmonie" aufgelöst; hier sei"Ruhe, Versöhnung, Frieden".
Lassen wir dahingestellt, wie der Verkündiger dieser "pessimistischen"Weltanschauung seine Lehre zu beweisen gedenkt. Nur dies interessiert unshier einigermaßen, wie er die sonderbare Vorstellung rechtfertigen will,daß das Individuum nach Preisgabe seines Daseins, daß also das nicht mehrexistierende Individuum, doch noch von eben dieser Nichtexistenz etwashabe; daß es, ob