1An den Ufern der Lahn, oberhalb Ems, nichtweit davon, liegt ein Ort, der sich Arnsteinnennt. Ein Bach geht zwischen den Häusern entlang;über den Häusern steigt ein Hügel auf, undauf dem Hügel, weit sichtbar, erhebt sich eine prächtigeKirche.
Einmal, vor Jahren bin ich in der Kirchegewesen.
Ein Bild hängt darin, ich glaube, nur eineinziges; und dieses Bild hat es bewirkt, daß ichdie Kirche nie wieder vergessen habe, und den Tag,an dem ich die Kirche besuchte.
Nicht, daß es ein besonderes Kunstwerk gewesenwäre – im Gegentheil, eine mittelmäßige Schilderei,vielleicht aus dem siebzehnten Jahrhundert.Aber der Gegenstand! Ein Mann ist im Brustbildedargestellt. Der Mann ist unbekleidet; Flammen2umlodern ihn, zur Rechten und Linken, mit großen,rothen Zungen, so daß er mitten im Feuer zustehen scheint. Zwei Schlangen ringeln sich überdie Schultern des Mannes, zwei große, dickeSchlangen: die eine hat sich in seine Brust verbissen,da, wo in der Brust das Herz schlägt;die andere sperrt den Rachen auf, um gleichfallshinein zu schlagen in das unbeschützte Fleisch.Gerade weil man dem Bilde ansieht, daß es demMaler nicht auf die Malerei angekommen ist, sondernauf den Vorgang, wirkt dieser Vorgang sogräßlich. Mit der einen Hand hat der Mann diebeißende Schlange gepackt, als wollte er sie vonsich losreißen; aber es hilft ihm nichts; das Unthierhaftet fest. Und so muß er aushalten inder Höllenqual. Denn daß es Höllenflammen sind,die ihn umlecken, Höllenqualen, die ihn zerreißen,das sieht man seinem Gesichte an, dem fahlen, aschgrauen,das in Verzerrung dem Beschauer in dieAugen blickt. Um den oberen Rand des Gemäldesläuft eine Inschrift, ein Distichon in lateinischerSprache. Ich kann mich des Wortlautes nichtgenau mehr erinnern, nur den Inhalt habe ich behalten:»Der Du mich anschaust und fragst, wasmich in diesen Höllenpfuhl gestoßen, wisse, es war3der Neid.« Invidia – so lautet das lateinischeWort.
Wie tief mich der Anblick der unheimlichenSchilderei gefesselt, merkte ich daran, daß ich dieBeschließerin der Kirche ganz vergessen hatte, diehinter mir stand und jetzt leise mit ihrem Schlüsselbundklapperte.
Ich drehte mich um. »Was hat es für eineBewandtniß mit dem Bilde da?« fragte