Dem
Prediger Kadach
in Ziebingen,
bei Frankfurt an der Oder.
Schon im Jahre 1804 machte ich in SchlesienIhre Bekanntschaft. Als ich zwei Jahre späteraus Italien zurück kam, fand ich Sie in jener Einsamkeitdes Landes, die damals meine Heimathwar, und seitdem sind wir als Freunde verbundengeblieben. Alle schönen Stunden jener Zeit,im Genuß der Musik, der Poesie und einer edlenund freien Mittheilung in gebildeten Zirkeln feinerund geistreicher Menschen haben wir beisammenverlebt, Freude und Trauer, den Schmerzüber manchen Verlust im Verlauf der Jahre miteinander getheilt. Auch in meine Studien undArbeiten sind Sie gern und gründlich eingegangen.Shakspear, Göthe und Sophokles habenuns oft gemeinsam beschäftigt. Meine Arbeitenüber den brittischen Dichter sind Ihnen mehr,wie irgend einem meiner Freunde, bekannt. Ihremfreien Sinne waren diese Studien, in denen Siesich gern vertieften, erfreulich, so gründlich undgewissenhaft Sie sich auch Ihrem Amte, vomwahren religiösen Geiste des Christenthums durchdrungen,hingaben. Ein ächter frommer Priester,ein freier Denker, ein Begeisterter für Kunst,ein edler, treuer Freund, — als solchen habe ichSie gesehn und gekannt, und nie werden Ihnen,so wenig wie mir, die schönen Tage und Abendstundenaus dem Gedächtnisse entschwinden, indenen Solger unsre ländliche Einsamkeit neu erfrischte,in welchen er uns seine Manuskripte vorlasund wir uns selbst, die Aufgabe des Lebensund alles Hohe durch die Lebensworte unseresFreundes inniger verstanden.
L. Tieck.
Eine Erzählung.
1792.
Ein Theil der Tartarei ward vom Sultan Ali beherrscht. —Dem Tirannen entgeht der Haß nie, mitdem ihn seine Unterthanen verfolgen und Ali betrachtetesie bald als eben so viele Feinde, über die ihn nurseine Grausamkeit und sein Ansehn erhalten könnten:mit andern Freuden unbekannt, sollte ihm das Gefühlseiner Macht jeden Mangel ersetzen.
Ohne Begriffe, ohne zu denken, ohne nur Seelengenußzu kennen, war er zum Greise geworden und ineiner unerschöpflichen Leere schmachtete er itzt jedemneuen Tage entgegen. Mehrere seiner Gemalinnen starbenund er begrub sie mit eben der Gleichmuth, mit derer den Untergang der Sonne sahe, die, wie er wußte,jenseit des Horizonts wieder heraufstieg, — selbst seineinziges Kind Zulma liebte er nicht, nur Stolz wares, was ihn an diese fesselte, da das ganze Land sie fürdie Krone der Schönheit anerkannte. —
In der Hauptstadt des Landes lebte Selim ineiner weisen Eingezogenheit, ohne eine öffentliche Bedienung,ohne daß man viel von ihm sprach ward ervon allen geliebt. Er war freigebig ohne Prahlerei,sparsam ohne Kargheit und sein Aufwand unterschiedsich sehr von der Pracht des Veziers und der übrigenGroßen.
Aus seinen Leiden hatte er stets seine große starkeSeele