1920
S. Fischer / Verlag / Berlin
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Erste bis zehnte Auflage
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Copyright S. Fischer, Verlag, Berlin
Manchmal handeln wir, gehen aus und ein, tun diesund das, und es ist alles leicht, unbeschwert und gleichsamunverbindlich, es könnte scheinbar alles auch anders sein.Und manchmal, zu anderen Stunden, könnte nichts anderssein, ist nichts unverbindlich und leicht, und jeder Atemzug,den wir tun, ist von Gewalten bestimmt und schwer vonSchicksal.
Die Taten unseres Lebens, die wir die guten nennen undvon denen zu erzählen uns leicht fällt, sind fast alle vonjener ersten, „leichten“ Art, und wir vergessen sie leicht.Andere Taten, von denen zu sprechen uns Mühe macht,vergessen wir nie mehr, sie sind gewissermaßen mehr unserals andere, und ihre Schatten fallen lang über alle Tageunseres Lebens.
Unser Vaterhaus, das groß und hell an einer hellen Straßelag, betrat man durch ein hohes Tor, und sogleich war manvon Kühle, Dämmerung und steinern feuchter Luft umfangen.Eine hohe, düstere Halle nahm einen schweigsamauf, der Boden von roten Sandsteinfliesen führte leicht ansteigendgegen die Treppe, deren Beginn zuhinterst tief imHalbdunkel lag. Viele tausend Male bin ich durch dies hoheTor eingegangen, und niemals hatte ich acht auf Tor undFlur, Fliesen und Treppe; dennoch war es immer einÜbergang in eine andere Welt, in „unsere“ Welt. DieHalle roch nach Stein, sie war finster und hoch, hinten führtedie Treppe aus der dunklen Kühle empor und zu Licht undhellem Behagen. Immer aber war erst die Halle und dieernste Dämmerung da: etwas von Vater, etwas von Würdeund Macht, etwas von Strafe und schlechtem Gewissen.Tausendmal ging man lachend hindurch. Manchmal abertrat man herein und war sogleich erdrückt und zerkleinert,hatte Angst, suchte rasch die befreiende Treppe.
Als ich elf Jahre alt war, kam ich eines Tages von derSchule her nach Hause, an einem von den Tagen, woSchicksal in den Ecken lauert, wo leicht etwas passiert. Andiesen Tagen scheint jede Unordnung und Störung dereigenen Seele sich in unserer Umwelt zu spiegeln und siezu entstellen. Unbehagen und Angst beklemmen unser Herz,und wir suchen und finden ihre vermeintlichen Ursachenaußer uns, sehen die Welt schlecht eingerichtet und stoßenüberall auf Widerstände.
Ähnlich war es an jenem Tage. Von früh an bedrücktemich — wer weiß woher? vielleicht aus Träumen der Nacht —ein Gefühl wie schlechtes Gewissen, obwohl ich nichts Besonderesbegangen hatte. Meines Vaters G