Setma,
das türkische Mädchen.

Eine Erzählung für Christenkinder.

Vom Verfasser des ‚armen Heinrich‘.

Fünfte Auflage.

Stuttgart, 1869.
Druck und Verlag von J. F. Steinkopf.

Liebe Kinder!

Ich soll euch wieder etwas erzählen,haben einige Leute gesagt, und zwar habensie gesagt, ich soll auch einmal eineGeschichte von einem Mädchen erzählen,nicht immer nur von Knaben. Nun weißich eine schöne Geschichte, und die auchwahr ist, aber von einem türkischenMädchen. In den letzten Jahren habt ihrwohl immer viel von den Türken gehört,was das für wilde grausame Leute sind;aber vor diesem Mädchen dürft ihr euchdeßwegen nicht fürchten, die ist gar sanftund gutmüthig, und hat viel mehr Angstvor den Christen ausgestanden, als ihr jevor den Türken. Ich denke also, ich willeuch diese Geschichte erzählen, und wennsie euch nicht gefallen sollte, so ist mir’sleid, und ich will’s ein ander Mal bessermachen, wenn ich noch lebe. Manchesvon euch liest wohl heuer zum letzten Malein Weihnachtbüchlein, und ist über’sJahr nicht mehr da. Was meinet ihr,liebe Kinder! wie viele von denen, die den„armen Heinrich“ vor drei Jahren gelesenhaben, seitdem in die andere Welt hinübergegangensind? Wenn ich’s wüßte, wollteich es euch sagen, und ihr würdet erstaunen.Wie bald kann’s auch uns treffen!Bedenket dieß!

Nun so lebet denn wohl, ihr Lebenden!und sterbet wohl, ihr Sterbenden! Eskommt ein Tag, da wir uns wiedersehen.

Der Verfasser.

Erstes Kapitel.
Setma und Guly in Belgrad.

Wo die Save in die Donau fließt, ander Grenze des türkischen Reiches gegenOestreich, liegt die große Handelsstadt undFestung Belgrad, sonst auch Griechisch-Weißenburggenannt. Sie hat 30,000Einwohner, und hundert türkische Moscheenoder Bethäuser stehen innerhalb ihrer Mauern.Die Einwohner sind größtentheils Servier,doch wohnen auch viele Türken darin, da dieStadt unter türkischer Botmäßigkeit steht,obgleich sie schon mehrere Mal von den Christenerobert worden ist. In dieser Stadtwurde im Jahr Christi 1671 das Mädchengeboren, dessen Geschichte euch in diesemBüchlein erzählt werden soll. Sie erhielt denNamen Setma. Fast hätt’ ich gesagt: beider Taufe; und doch wurde sie nicht getauft:denn ihre Eltern bekannten sich zur muhamedanischenReligion. Ihr Vater war ein türkischerKaufmann, Namens Osman, derein beträchtliches Vermögen besaß, und seinGeschäft mit Schiffen auf der Donau trieb.Er hatte das Amt eines Baschi oder türkischenOber-Commissärs, und stand überdieß nochdeßwegen in großem Ansehen, weil er einHadschi war, d. h. weil er eine Wallfahrt nachJerusalem und nach Mekka, dem GeburtsortMuhameds, gemacht hatte. Er wurde dahergewöhnlich Hadsch’-Osman genannt.

Nun soll euch Setma selber weiter erzählen:

In stiller Zurückgezogenheit bin ich aufgewachsen,und nicht viel unter die Leutegekommen: denn mein Vater war ein sehrernsthafter und strenger Mann, und meineMutter starb, da ich kaum drei Jahre altwar. Ich wurde hierauf der Aufsicht einerverständigen Sklavin übergeben, welche schonbei Jahren war und unsere Haushaltung besorgte.

...

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