Deutsch von
Hedwig Kubin
Mit siebenundfünfzig Zeichnungen von
Alfred Kubin
M·C M·X
München und Leipzig / bei Georg Müller
Anmerkungen zur Transkription finden sich am Ende des Buches.
»Seit seiner letzten Reise nach Deutschland vergaß Gérard,der mehr wie je von einem rätselhaften Sehnen nach der Unendlichkeitgeplagt wurde, oft, daß er auf der Erde war. Erfühlte, daß er den Boden verlor und ins Leere trat; er wandsich der Vergangenheit zu, um das Leben wieder zu erfassenund sich noch lebendig zu glauben. Seine letzten Seiten zeugenvon dieser Vorliebe für die Vergangenheit; er hatte alle Büchergeschlossen, ausgenommen das Buch seiner Seele; er las keineGedichte mehr außer denen auf seine eigenen Liebeserlebnisse.Er ahnte, daß derTod ihn holen würde; und wie ein Wanderer,der die Nacht hereinbrechen sieht, kehrte er um undwarf noch einen Blick auf die zurückgelegten Strecken. Vonallen zertrümmerten Denkmälern seines Herzens pflückte erehrfurchtsvoll das Mauerkraut.«
Arsène Houssaye.
Gérard de Nerval wurde am 22. Mai 1809 als Sohn einesMilitärarztes in Paris geboren. Er wurde nicht ganz 46 Jahrealt, — er starb am 25. Januar 1855. Sein eigentlicher Namewar Gérard Labrunie.
Da seine Mutter ihrem Gatten zum Heere folgte und sehrfrüh starb, was der Dichter in der hier übersetzten Novelle»Aurelia« auch erwähnt, wurde der Knabe im Valois beieinem seiner Oheime erzogen. Er besuchte das Gymnasiumund obwohl er hie und da lieber in Wald und Feld herumstreifte,als auf der Schulbank zu sitzen, war er doch der Stolzder Schule und der Gegenstand der Bewunderung seinerKameraden, denn er dichtete kaum achtzehn Jahre alt seine»Elégies nationales«. Auch seine Faust-Übersetzung, dieheute noch zu den besten gezählt wird, erschien schon zu dieserZeit, und Goethe hat dem jungen Nerval in einem eigenhändigenSchreiben dafür gedankt. Nerval hat diesen Briefaufbewahrt, und obwohl er sonst wegen seiner Bescheidenheitbekannt war, zeigte er ihn gern seinen Freunden und versicherte,daß die Anerkennung des großen deutschen Dichtersihn mit Stolz erfülle.
Zu diesen Freunden gehörten in erster Linie ThéophileGautier, Arsène Houssaye und viele andere. Nerval hattedas Glück, schon von seinen Zeitgenossen gewürdigt zuwerden. Die Freunde ertrugen seine bizarren Launen geduldigund bemühten sich, ihm alle Hindernisse aus dem Wegzu räumen. Wie oft hielt er seine Verabredungen nicht! Wiehäufig ka