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WALT WHITMAN

GESÄNGE UND INSCHRIFTEN

ÜBERTRAGEN
VON

GUSTAV LANDAUER

KURT WOLFF VERLAG MÜNCHEN
1921

WALT WHITMAN

Die Gestalt des Dichters Walt Whitman und alles waser geschrieben hat mutet an, als ob Amerika, die VereinigtenStaaten, auf die Goetheworte: »Amerika, du hastes besser, Als unser alter Kontinent, der alte; Hast keineverfallenen Schlösser, Und keine Basalte!« ein lautes: Ja,ja, ja, so ist es! hätten über die See herüberrufen wollen.Hat doch Whitman selbst oft genug von sämtlichen Dichternder Veruneinigten Staaten Europas, übrigens in Wortengrößten Respektes, gesagt, daß sie der Vergangenheit unddem Zeitalter des Feudalismus angehören, mit Ausnahmedes einen Goethe, der seine besondere Stellung dadurchhat, daß er ein König ohne Land, ein Dichter ohne Nationist. Amerika ist für Walt Whitman das Reich der Zukunft,der noch nicht fertigen, sondern erst zusammenwachsenden,anschießenden Volksgemeinschaft.

Es wäre nüchterne Kleinlichkeit, vielleicht auch so etwaswie politische Eifersucht, wollte man dem Dichter einwenden,solcher Standpunkt zeuge doch von gefährlichem, übertriebenemHochmut. Denn um Whitmans Selbstgefühl,das er von sich und seinem Volke hat, zu verstehen, mußman die Art Politik beiseite lassen; die wohnt etliche Stockwerketiefer als solche Kulturbetrachtung aus der Höheder wollenden Dichterphantasie. Whitman hat – wiewohler es nicht gerade so ausdrückt – von seinem Volkedas Gefühl, daß es ein neuer Beginn ist, frische, aus Völkermischungentstandene Barbaren, die einen Abschnitt in dieGeschichte bringen. Man denke daran, wie die Germanen,schon zu den Zeiten des Arminius, der sogar seinen Namen von der römischen gens Arminia genommen hat – wiehieß er in Wahrheit? Gewiß nicht Hermann, aber vielleichtSigfrid? –, wie diese Germanen vielfach vertraut warenmit der großen griechisch-römischen Kultur, und wie siedoch, zumal als der neue Mythos, das Christentum, übersie gekommen war, mit einer ganz neuen, primitiver scheinendenKultur anheben mußten. So sind für Whitman,der in sich selbst die große, wilde, durch keinerlei Konventiongebrochene Natur fühlt, die Amerikaner ein ebenerst werdendes neues Volk, Barbaren und Beginnende: undden neuen, großen Glauben, die neue Kunst, die allemgroßen Volke vorleuchten muß, will er selbst ihnen schaffenhelfen. Sein Selbstgefühl ist viel mehr ein Gefühl seinesVolks als seiner selbst; man darf sich durch das mystische»Myself« (Ich) seiner Verse nicht irre machen lassen; erhat es ganz klar empfunden und gesagt, daß er nur einerster, kleiner Beginn ist, ein früher Vorläufer eines amerikanisch-perikleischenZeitalters. Und er hat überdies immergemeint, daß Amerika nur den besonderen Beruf hat, einpaar Schritte voraus zu

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