Heinrich Mann
Zwischen den Rassen
Roman

Albert Langen
Verlag für Litteratur und Kunst
München 1907

Erster Teil

I

Die Schwarzen, die das Pferd am Zaum geführthatten, mußten ihre Herrin auffangen: ihr ward schwach;— und dann lag sie in Farren versteckt; ein Palmenblattward bewegt über ihrem dunkeln Scheitel; dergroße, hellhaarige Mann beugte sich zu seiner bleichenGefährtin; und das Kind kam zur Welt. Die Bäumedes Urwaldes standen starr und übermächtig daneben.Dorther, wo er sich lichtete, kam das Schlagen desOzeans, und von drüben, aus der Finsternis, das wildeGeschrei der Papageien und der Brüllaffen.

Das Kind lernte sprechen von seiner schwarzenAmme und laufen auf dem Sand zwischen Wald undMeer. Vom Rande des Meeres holte es Muscheln,die es von großen Steinen löste; und am Waldsaumerntete es abgefallene Kokosnüsse: daraus zogen ihmdie Diener mit glühenden Spießen die süße Milch.Große, zuckerige Früchte hingen überall bei seinenHändchen; im Garten ertrank es in Blumen; und alsgoldene Funken schossen Kolibris um seinen Kopf.

Dann ward Brüderchen Nene groß genug, daßsich mit ihm spielen ließ. Man suchte zwischen Mauerritzennach den winzigen runden Eidechseneiern undden Natterneiern, rund und weich. Vom Schwanzdes Gürteltieres brachten einem die Neger die kleinstenRinge: damit schmückte Nene der Schwester und sichselbst alle Finger; und dann fuhr man in einem Zuberden Bach hinab, und die schwarzen Kurubus auf ihrenBüschen sahen einem, über ihre feuerroten Krummschnäbelhinweg, hoheitsvoll nach.

Und man erlebte in der Hauptstadt den Tropenregen:in den Straßen fuhren Kanoes, und unablässigmußten die Schwarzen mit Schaufeln das Wasser ausden Zimmern stoßen; — und den Karneval! Ander Jalousietür saß man auf einem Stühlchen, überdem Gewimmel der Masken, und die schöne Mamawarf Wachsbälle hinab: die platzten und tränkten diebunten Trachten mit flüssigem Duft. Aber aus einerMuschel, die ein ganz roter Mann an den Mundsetzte, fuhr ein so schrecklicher Ton, daß man ihn nichtertragen konnte, sondern sich mit seinem Stuhl zurückwarfund auch Nene mit umriß.

Und auf der Großen Insel — das Haus derGroßeltern schwamm im Duft der Orangenblüten —sog man inmitten eines Heeres erntender Neger aneinem Stückchen Zuckerrohr. Und zitternden, schreiendenLaufes kam man von einer Begegnung mit derBoa heim! Und schaute, mit allen schwarzen, gelbenund weißen Kindern der Pflanzung, erregten Augesund jubelnd zu, wie der Großvater viele Papierröllchenanzündete und sie in weiten, leuchtenden undzischenden Bögen über das Meer schoß. Das Meerschob einem lange, laue Schlangen über die bloßenFüßchen; im Hemdchen, das ein Gürtel enger schloß,fing sich ein Stoß warmen Nachtwindes; und hobman den Blick, schwindelte es einem, so voll war erauf einmal von Sternen!

Es war herrlich: man war wie alle andernKinder — und doch nicht ganz so. Vornehmer warman. Man hatte blondes Haar; nicht einmal Nenehatte es; und die schwarze Anna war sehr stolzdarauf und konnte nicht genug Locken daraus wickeln.Man hatte auch einen blonden Papa: wer hatte dennoch? Und kam er zu Besuch auf die In

...

BU KİTABI OKUMAK İÇİN ÜYE OLUN VEYA GİRİŞ YAPIN!


Sitemize Üyelik ÜCRETSİZDİR!