This text was published in Der neue Roman, Kurt Wolff Verlag, Leipzig, 1917. An almostidentical version was published under the title Der Sohn in Die Silbergäule Nr. 3, PaulSteegemann Verlag, Hannover, 1919.

Heinrich Mann

Der Vater

Als Färber heiraten konnte, hatte er hinter sich schonachtzehn Jahre der Arbeit, des Suchens, des wechselvollenKampfes mit der Menschenmasse, durch die manhindurch muß, den Zufällen, die man entwaffnen muß,mit dem Leben. Luise hatte kein Geld, aber mit vierzigJahren wirst du doch endlich dir und ihr genügen, oderdu bist kein Mann. Er genügte, wie jeder, auch noch derkleinen, die kamen. Wie jeder, stand er nach seiner Arbeitüber eine Wiege gebeugt, suchte in dem Gesichtchen desSäuglings nach sich selbst, nach seinen Ursprüngen undder von ihm mitgeschaffenen Zukunft, die er nicht mehrsehen sollte; entsann sich bei einem Aufseufzen des kleinenSchlafenden der schweren Stunden, die hinter ihm undvor diesem lagen; sah es den Blick öffnen, der den Vaternoch nicht kannte und einsam schien, als wisse er schonalles. Nun aber lächelte es, und alles war gut.

Es wuchs, und der Vater mit ihm. Die Freude, dasBrot und einen Anteil am Genuß der Welt beschaffenzu können für zwei Wesen, die nur ihn hatten, machteihn stärker, als er sich kannte. Er gelangte in der Gesellschaft,die er vertrat, zu einer leitenden Stellung.

Schöne Zeit! Draußen scharf wachen, den Gegnernauf die Schliche kommen, seine Haut ihnen nicht lassenund lieber Riemen schneiden aus der ihren. Zu Hausedann gesicherter Friede, anständiges Menschentum, lauteresWohlwollen von allen zu allen. Man wechselte denRock, wusch sich und sah, ein heiteres Zimmer betretend,in Gesichter voll Güte und Zutrauen, voll Erwartung,Wunsch und Dank. Sein eigenes Gesicht — diese beidensahen es nie anders. Er hielt darauf, es ihnen niemalsso zu zeigen, wie es draußen „im Leben“ wohl aussehenkonnte. Sein Luxus und seine Art von innerer Erhebungwar es, das Gesicht des Lebens vor diesen beruhigt undverklärt zu bewahren.

Beide waren so schön in ihrer Unwissenheit, so liebenswertin ihrem Glauben, alles verlaufe rein und klar, erhaltennur wir so unsere Seele. Und hatten sie nichtrecht? Die Mutter, als gerade ihre letzte Verwandte gestorbenwar, blutjung und arm geheiratet vom Fleck weg,gehegt und gepflegt, mit allem beschenkt, was ein Frauenherzreich macht, — und von ihr wie von Rosa, die seitihrem ersten Atemzug nur Liebe kannte, ward zum Entgeltfür alles Glück nicht mehr verlangt, als eben, daßsie glücklich seien. Färber, dessen Werk sie doch waren,näherte sich ihnen oftmals nur mit Ehrfurcht.

Welche tiefe Gefahr ein so lieblicher Betrug barg, hatteer nicht vergessen. Dies alles stand einzig auf seinenNerven, seinem Kampfwert. Zuweilen quälte es ihn, erhabe mehr Verantwortung übernommen, als einem mittlerenManne zukomme. Der Kluge und Mächtige, derdie Güte war, dies hieß es bleiben, oder ihr Vertrauentäuschen. Je fester ihr Vertrauen, um so schärfer sah erum sich die Drohungen, überreizt und nur darum nichtmehr sicher. Er beging geschäftliche Fehler, von denengesagt ward, sie entsprängen einer Überschätzung seinerKraft und Geltung. Dem Aufsichtsrat, der bereit gewesenwäre, ihm seine früheren Verdienste anzurechnen, begegneteer unverhältnismäßig schroff. Er ward entlassen.

Und eben jetzt nahte die Geburt eines zweiten Kindes.Konnte er der Frau sich offenbaren? Trotz vorhandenenMitteln zum Weiterleben schien es höchst geboten, stillschweigendund ohne alle Beunruhigung eine andereStellung anzunehmen, eine der Stellungen, die ihm gelegentlichangeboten waren und zweifellos zur Verfügungstanden. Indessen zeigte es sich, daß sie dem, der die seineverloren hatte, keineswegs mehr zur Verfügung standen:nicht d

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