Katarina Botsky

Der Trinker

Roman

Albert Langen, München

Copyright 1911 by Albert Langen, Munich

Erstes Kapitel

Es war ein Frühlingsnachmittag voll Melancholieund Windesraunen, so recht geeignetfür trübe Gedanken. Die Hände auf demRücken, die Mütze im Nacken, lehnte John an einemLastwagen auf dem stattlichen Hofe seines Vaters,dem verworrenen Liede des Windes lauschend. Seinschönes Gesicht war von der Trunksucht aufgedunsen,sein schwarzes Haar dünn und halb ergraut, obgleicher erst siebenundzwanzig Jahre wurde, seine hoheelegante Figur verriet Schlaffheit und Hinfälligkeit.John sah wie ein verworfener junger römischer Kaiseraus, der sich in die Tracht eines jungen Mannesvon heute gekleidet. Mit einem trüben Imperatorenlächelnauf seinem feisten, bartlosen Gesicht wiegte erden Kopf hin und her nach einer inneren Melodieund nach dem Rhythmus des Windes. Seine beidenjüngeren Brüder, Knaben von dreizehn und vierzehnJahren, standen am Fenster und beobachteten ihn.Der ältere sagte: »Er wackelt schon wieder mit demKopf wie ein Mummelgreis.«

»Rodenberg!« schrie John plötzlich, seine beidenschlaffen Hände wie ein Schallrohr gebrauchend.

Rodenberg, der alte Kutscher, streckte seinen rothaarigenKopf aus der dritten Etage des Ziegelspeichersheraus und fragte, was es gäbe.

Alsbald brüllte John, daß es über den ganzenHof schallte: »Wissen Sie, was der Doktor gesagthat, Rodenberg?! Meine Leber ist kaputt, hat er gesagt.Ich hab's durch die Tür gehört.«

»Glauben Se doch das nich!« tönte es von obenzurück, und bald klapperten ein Paar Holzpantoffelnhurtig die letzte Treppe herunter, und gleich darauftauchte ein hünenhafter alter Germane mit einemlangen, fuchsroten Bart im Rahmen der nächstenSpeichertür auf. »Was hat'r jesacht, der Schafskopp?«fragte der Kutscher.

»Kaputt, hat'r jesacht,« kicherte John, sich aufden Bauch tätschelnd.

Rodenberg entblößte sein Pferdegebiß und lachte,daß es dröhnte. Dabei hüpften die großen, kugelrundenWarzen, die wie Erbsen über sein geräumigesGesicht verstreut waren, munter hin und her. »Neisowas! Nei sowas!« schrie er, sich aufs Knie schlagend.»Wie will so'n Schafskopp das wissen?!«

John lächelte so listig und so kindisch, wie einstvielleicht Caligula gelächelt hatte. »Hier,« sagte er,dem Alten verstohlen eine Flasche reichend, »holenSie mir meine Mischung. Auf sowas muß man einentrinken. Meinen Se nich auch?«

Rodenberg meinte auch. Er war immer dabei,wenn es galt, Johns Mischung zu holen, denn erliebte sie selbst leidenschaftlich.

»Mama!« riefen die beiden Jungen am Fenster wie aus einem Munde, »jetzt läßt er sich schon wiedervon Rodenberg Schnaps holen.«

»Mein Gott,« sagte eine larmoyante Frauenstimmeim Nebenzimmer, »laß er schon trinken!Jetzt ist ja doch schon alles gleich!«

Der blondlockige jüngere der beiden Brüder sahwie ein eingebildeter Engel aus, der ältere glichJohn. Der Engel öffnete seine roten Lippen und sagte,während seine großen blauen Augen verträumt durchsFenster blickten: »Wenn er doch erst tot wäre!«

»Pfui, Leo, wie kannst du nur, es ist doch immerdein Bruder!« verwies ihn dieselbe larmoyante Stimmein traurigem Tone.

»Ich muß ihn mir doch schon immer als Leichevorstellen,« murmelte der ältere Junge.

Fast die ganze Familie Zarnosky zeichnete sichdurch Roheit und ein ungewöhnliches Maß

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