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Clemens Brentano

Geschichte
vom braven Kasperl und
dem schönen Annerl

Mit
einigen Soldatenliedern
als Anhang

Verlagslogo

Im Insel-Verlag zu Leipzig


16.-20. Tausend


[3]Es war Sommersfrühe, die Nachtigallen sangen erst seiteinigen Tagen durch die Straßen und verstummten heutin einer kühlen Nacht, welche von fernen Gewittern zu unsherwehte. Der Nachtwächter rief die elfte Stunde an. Dasah ich, nach Hause gehend, vor der Tür eines großen Gebäudeseinen Trupp von allerlei Gesellen, die vom Bierekamen, um jemand, der auf den Türstufen saß, versammelt.Ihr Anteil schien mir so lebhaft, daß ich irgendein Unglückbesorgte und mich näherte.

Eine alte Bäuerin saß auf der Treppe, und so lebhaft dieGesellen sich um sie bekümmerten, so wenig ließ sie sich vonden neugierigen Fragen und gutmütigen Vorschlägen derselbenstören. Es hatte etwas sehr Befremdendes, ja schierGroßes, wie die gute alte Frau so sehr wußte, was sie wollte,daß sie, als sei sie ganz allein in ihrem Kämmerlein, mittenunter den Leuten es sich unter freiem Himmel zur Nachtruhebequem machte. Sie nahm ihre Schürze als ein Mäntelchenum, zog ihren großen schwarzen wachsleinenen Hut tieferin die Augen, legte sich ihr Bündel unter den Kopf zurechtund gab auf keine Frage Antwort.

„Was fehlt dieser alten Frau?“ fragte ich einen der Anwesenden.Da kamen Antworten von allen Seiten: „Siekömmt sechs Meilen Weges vom Lande, sie kann nicht weiter,sie weiß nicht Bescheid in der Stadt, sie hat Befreundete amandern Ende der Stadt und kann nicht hinfinden.“ – „Ichwollte sie führen,“ sagte einer, „aber es ist ein weiter Weg,und ich habe meinen Hausschlüssel nicht bei mir. Auch würdesie das Haus nicht kennen, wo sie hinwill.“ – „Aber hier kanndie Frau nicht liegen bleiben,“ sagte ein Neuhinzugetretener.„Sie will aber platterdings,“ antwortete der erste, „ich habees ihr längst gesagt, ich wolle sie nach Haus bringen, doch[4]sie redet ganz verwirrt, ja sie muß wohl betrunken sein.“ –„Ich glaube, sie ist blödsinnig. Aber hier kann sie doch inkeinem Falle bleiben,“ wiederholte jener, „die Nacht ist kühlund lang.“

Während allem diesem Gerede war die Alte, gerade als obsie taub und blind sei, ganz ungestört mit ihrer Zubereitungfertig geworden, und da der letzte abermals sagte: „Hier kannsie doch nicht bleiben,“ erwiderte sie mit einer wunderlichtiefen und ernsten Stimme:

„Warum soll ich nicht hier bleiben? Ist dies nicht ein herzoglichesHaus? Ich bin achtundachtzig Jahre alt, und derHerzog wird mich gewiß nicht von seiner Schwelle treiben.Drei Söhne sind in seinem Dienst gestorben, und mein einzigerEnkel hat seinen Abschied genommen; Gott verzeiht esihm gewiß, und ich will nicht sterben, bis er in seinem ehrlichenGrabe liegt.“

„Achtundachtzig Jahre und sechs Meilen gelaufen!“ sagtendie Umstehenden, „sie ist müd und kindisch, in solchem Alterwird der Mensch schwach.“

„Mutter, Sie kann aber den Schnupfen kriegen und sehrkrank werden hier, und Langeweile wird Sie auch haben,“sprach nun einer der Gesellen und beugte sich näher zu ihr.

...

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