Anmerkungen zur Transkription:

Der Text stammt aus: Neue Revue. Halbmonatschrift fürdas öffentliche Leben 1 (1907). S. 248–251.

Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurdenübernommen.

248

Langsam-Schnellzüge
in Österreich.

Von Ignotus.

Wien, im November 1907.

Das ist eine neue Art des Eisenbahnverkehrs:fahrplanmäßige Schnellzüge, die langsam zu fahrenhaben und infolgedessen alle Anschlüsse versäumen.Seit einigen Wochen ist diese neue Verkehrsartauf den Linien der österreichisch-ungarischenStaatseisenbahngesellschaft eingeführt, vonAmts wegen, nämlich auf Anordnung der Generalinspektionder österreichischen Eisenbahnen. DieVerhältnisse auf den einzelnen Strecken der Staatseisenbahngesellschaftgleichen – so erklärt einean die Regierung gerichtete dringliche Eingabeder Prager Handelskammer – einer vollständigenAnarchie. Die Staatsbahnpassagiere versäumendie Anschlüsse, die Postbeförderung durch dieStaatsbahn erfährt Verspätungen von ganzen Tagen,und die Wagennot wird durch die Desorganisationdes Fahrplanes in bedauerlichster Weiseverschärft; auf gewissen Anschlußbahnen wurdenin den letzten Tagen überhaupt keine Wagen beigestellt,so daß sich einzelne Kohlenwerke inNordböhmen genötigt sahen, den Betrieb einzustellen.

Wie entstand diese von Amts wegen herbeigeführteVerkehrsanarchie? Die Generalinspektionder österreichischen Eisenbahnen hat auf denLinien der Staatsbahngesellschaft an 120 Langsamfahrtsignaleaufstellen lassen. Die ersten dieserSignale galten nur den Schnellzügen. So wurdeeine neue Art Langsam-Schnellzüge geschaffen.Dann ging der löbliche Eifer der zur Untersuchungdes Bauzustandes der Staatsbahngesellschaft entsendetenBeamten der Generalinspektion weiter.Mit der Zahl der konstatierten Oberbaumängelwuchs die Zahl der aufgestellten Langsamfahrt-Signale,und schließlich steckte man solche Signaleauch auf Seitenlinien auf, die noch nie von einemSchnellzug befahren worden sind, und gebot auchPersonen- und Lastzügen langsamere Fahrt.

Jede Bahn ist stets in gutem, fahrbarem Zustandezu erhalten, so daß sie mit der höchst zulässigenGeschwindigkeit ohne Gefahr befahrenwerden kann; das Ausmaß der Geschwindigkeit istzu verringern, wenn es die Verhältnisse der Bahnoder einer Bahnstrecke notwendig machen. Dasschreibt die österreichische Betriebsordnung vor.Und Aufgabe der Generalinspektion der österreichischenEisenbahnen ist es, durch ständigeÜberwachung sich zu überzeugen, ob derBauzustand der Bahnen und ihrer Betriebsmitteldie Sicherheit und Ordnung des Betriebes gewährleisten,und die Unternehmungen zu zwingen, allewahrgenommenen, die Sicherheit des Betriebes gefährdendenMängel schleunig zu beheben; nötigenfallskönnen die Herstellungsarbeiten auf Kostender Bahn durch den Staat besorgt werden; undwenn eine Eisenbahnunternehmung ungeachtetwiederholter Ermahnungen die Anordnungen dervorgesetzten Behörde nicht befolgen sollte, kannnach dem österreichischen Eisenbahnkonzessionsgesetzdie Regierung die Sequestrationder Eisenbahn anordnen.

Man sieht, die Behörde hat ausreichende Befugnisse,die Unternehmungen zur Erhaltung derBahn in gutem Zustande zu verhalten, und schonder Umstand, daß das abschließende Urteil überdie Beschaffenheit des Bauzustandes einer Bahnim freien Ermessen der überwachenden Behördeliegt, muß jede Bahnunternehmung veranlassen,die behördlichen Anordnungen, die den Bauzustandder Bahn betreffen, ohne Verzug zu befolgen.Um so mehr mußte die Öffentlichkeit überraschtsein, als das Abgeordnetenhaus vor kurzem einstimmigeinen Drin

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