Ein episches Gedicht
aus dem Kletgau
von
K. Fr. Würtenberger.
Mit Illustrationen.
St. Petersburg.
Buchdruckerei für Kaiserl. Russische Staatspapiere.
1889.
Alle Rechte vorbehalten.
Die Illustrationen sind mit Genehmigung der Censur-Behörde gedruckt.
St.-Petersburg, den 14. December 1888.
Meiner herzlieben Heimat
zum freundlichen Andenken.
Da, wo am Rhein, in Badens herrlichen Gefilden,
Zu Schutz und Trutz von edeln Herrn erbaut,
Ein weithin sichtbar Wahrzeichen des Kletgau’s,
Die Küssaburg von stolzer Höhe schaut;
Vom Tann’ bekränzt, von Eppich übersponnen —
Da sprudelt dieses Sanges frischer Bronnen. —
Noch heute, eines Weihenpaares Horst und Veste,
Ragt hoch, vom Bergfried wohl, ein Mauerrest;
Nach Moder dünstende, verschüttete Gewölbe
Gewähren scheuem Wild ein sicher Nest.
Wo einst das Palas stand, sind Trümmerhaufen,
Durch deren Wirrniß bunte Käfer laufen.
Mitleidig deckt die blitzzerspellten Thurmruinen,
Ein hundert Jahre alter Epheukranz,
Der, Wurzel treibend zwischen Kalkstein-Quadern,
Ihr Grau umzieht mit dunkelgrünem Glanz;
Auf schwachen Spuren längst zerfallner Zinnen,
Sonnt sich das Echslein, weben braune Spinnen.
Den weiten Zwingolf füllt Gestrüppe; Brombeerranken
Verwehren neidisch des Besuchers Fuß
Den Pfad zu würzig-duft’gen Königskerzen,
Die weithin winken ihren goldnen Gruß.
Um Baum und Busch wogt summendes Gewimmel
Und blau, durch Fensterscharten, schaut der Himmel.
Tiefernstes Schweigen waltet, heil’ge Ruh hier oben,
Und wenn zu Zeiten mal den öden Raum
Ein Mensch betritt, will’s ihn gemahnen,
Als schlief hier alles längst in schwerem Traum; —
Von dem selbst Thor und Umzug bang befangen,
Die beide noch mit festen Mauern prangen.
So liegt die Stätte heute stille und verlassen,
Wo einst im Kampfe Waffenlärm getost.
Ein heimlich Scheuen nimmt den Sinn gefangen
Und, wenn ein Lüftlein mit den Blättern kost
Ist es, als tönte Flüstern in den Räumen,
Verlockend, am helllichten Tag zu träumen. —
Und wirklich, sieh! Dem Blick erstehen Thurm und Zinnen.
Hoch überm Thore prangt das Wappenschild
Der alten Küssaberger steingemeißelt;
Sie führten eines Löwen Haupt als Bild.
In braungetäfelten Gemächern waltet
Des Hauses Tochter, die als Herrin schaltet.
Was weiter, Traum berückt, ich schaute und vernommen,
Es will nicht weichen mehr mir aus dem Sinn.
Muß immerdar der holden Herrin denken,
So oft ich hier, wo einst sie lebte, bin;
Des Frauenbildes, das, vor grauen Jahren,
Der Liebe Lust und Leid gar reich erfahren.
Doch, laßt mich schlicht erzählen, wie sich Alles fügte
Und was es war, das mich zum Singen zwang.
Der leise Wunsch, dem Schutze deutscher Dichtung
Mein Küssaburg zu weihen im Gesang,
Will ohnehin mir nimmer Ruhe lassen;
Die Kunst ist nur, geziemend mich zu fassen. —
* * *
Im kühlen Schatten der Ruinen saß ich sinnend
An einem Julitage, wie gewohnt,
Hinunter auf die Rebenhänge blickend,
Die, gnädig mal vom Maienfrost verschont,
In jenem Jahre uns ein Weinlein brachten,
Von dem noch jeder Tropfen hoch zu achten.
So recht von Herzen mich des reichen Segens freuend,
Den Gott hier reifen ließ