Clemens Brentano
Vor funfzehn Jahren machte es mir Freude, die folgende einfacheGeschichte niederzuschreiben. Sie sollte nur die Einfassung mehrererschöner altdeutschen Erzählungen sein, die sie mit mancherleiEreignissen aus dem Zusammenleben des alten Ritters Veltlin vonTürlingen und seiner drei Töchter unterbricht, mit deren Versorgungund der Abreise des Erzählers sie schließt. So lieb ich das Gedichthatte, blieb es doch unterbrochen; der Sinn der Leser schien dazu zufehlen. Jetzt, da diese Erzählung mehr, ja selbst die altdeutschenRöcke vor sich hat, fiel sie mir wieder in die Hände, und ichversuche es, sie den Lesern vorzulegen mit der Erinnerung, daß sie zupädagogischen Zwecken entworfen worden, als ich von der sogenanntenRomantik noch wenig wußte, und daß sie daher neben den allerneuestenRitterromandichtern in ihrer redseligen Einfalt um Schonung bittet.Sollte dem Leser, durch Eisenfresserei und Isländisches Moos verwöhnt,diese Geschichte wie unsre deutsche Kamillen--und Hollunderblütenicht behagen, so bringe er sie einem kranken Freunde oder Mägdelein,denen sie Gott gesegnen möge!
Im Jahr, da man zählte nach Christi, unsers lieben Herrn, Geburt 1358,am zwanzigsten Tage des Maimonats, hörte ich, Johannes, derSchreiber, die Schwalbe in der Frühe an meinem Kammerfenster singenund ward innigst von dem Morgenlied des frommen Vögeleins erbauet,bedachte auch auf meinem Bettlein, wie die Schwalbe in daurenderFreude lebet, gegen den Winter in ferne wärmere Länder ziehet und,der Heimat getreu, gegen den Frühling wiederkehrt; also nicht derMensch, der arme fahrende Schüler, der wohl viel gegen Sturm undWetter ziehen muß, ja der oft kein Feuer findet, die erstarrten Händezu erwärmen, daß er sie falte zum Gebet; aber so er es ernstlichmeinet, haucht er hinein.
Da ich in solchen Betrachtungen versunken war und das Schwälbleinauch auf seine Weise fortphantasierte, wäre ich schier wiedereingeschlummert, aber der Wächter auf dem Münster blies: "In süßenFreuden geht die Zeit", welches ich hier noch nie gehöret; denn ichwar zum ersten Male in Straßburg erwacht.
Nun richtete ich mich in meinem Bettlein auf, und schaute in meinemGemache umher; das hatte aber Fenster rings herum und war in einemSommerhäuslein des Gartens. Links stand der Mond noch blaß am Himmel,und rechts war der Himmel wie das lauterste Gold. Da fand ich michzwischen Nacht und Tag und faltete die Hände, und es fiel mir freudigaufs Herz, daß heute mein zwanzigster Geburtstag sei, und wie mir esviel besser geworden als in dem letzten Jahre, da ich meinen liebenGeburtstag auf freiem Felde in einem zerrissenen Mäntelein empfangenund mit einem Bissen Almosenbrot bewirten mußte. O Freude und Ehre!dachte ich bei mir selbst und schaute zum Morgenlichte hin und sprach:"Du bist mein Licht, du wirst mein Tag!", glaubte auch schier inmeiner Einfalt, der Himmel sei golden um meines Besten willen, dieSchwalbe habe nur gesungen, mir Glück zu wünschen, und der Türmerhabe allein so lieblich geblasen mir zur Feier; da der Himmel sichdoch nur gerötet vor der Sonne, die der Herr gerufen, da die Schwalbedoch nur gesungen in Gottes Frühlingslust, und der Wächter nurgeblasen zu Gottes Ehren, ja wohl gern noch ein Stündlein geschlafenhätte, so es ihm von den Münsterherren verstattet wäre. Also wirdder Mensch leicht übermütig in der Freude, und glaubet, er sei rechtder Mittelpunkt aller Dinge, und sei er mit allem gemeint. Da ließich die Augen fröhlich in der Kammer umherschweifen, und sah auf demSchemel ein neues Gewand liegen, das mir mein gütiger Herr und RitterVeltlin von Türlingen am Abend im Dunkeln hatte herauftragen lassen,und konnte ich meine Begierde nun nic