Ein Nachlaß
von
Adam Oehlenschläger.
Deutsche Originalausgabe.
Dritter Band.
Leipzig
Verlag von Carl B. Lorck.
1850.
Bei meiner Heimkehr traf ich meine Christiane und ihren Vaternicht mehr in dem großen Hause und dem schönen Garten aufder Norderstraße; dieses war durch das Bombardement in Aschegelegt worden. Sie hatten nun eine beschränkte Wohnung ander Ecke der Büngaard-Gasse; aber der Alte hatte sein Bestes,seine Gemüthsruhe und die stille Munterkeit, gerettet. Er liebtewie früher Sprachstudien, Musik und mechanische Beschäftigungen.Mit Christiane besuchte ich die Gräfin Schimmelmann, die sielieb gewonnen hatte und beständig bei sich sah. Auch mitdem Herzoge von Augustenburg hatte Christiane auf eine sonderbareWeise Bekanntschaft gemacht. Sie war gerade eines Tagesmit der Gräfin in deren Schlafkammer, als der Herzog sichmelden ließ. Die Gräfin Schimmelmann, die oft gute Einfällehatte, bat nun Christiane — sie hatte gerade ihren reichen Haarwuchsbewundert — die Flechten aufzulösen, und sie von demKammermädchen so zurichten zu lassen, daß sie in den Haarenverborgen wie in einer Glocke stand. Darauf ging die Gräfinzum Herzog, und bat ihn, eine junge Dame mitbringen zudürfen, welche wünschte, die Bekanntschaft seiner Durchlaucht zumachen. Und nun trat eine Gestalt ins Zimmer, von der manbis auf die Füße nichts weiter sah, als das reiche glänzendeblonde Haar. — Auch die Bekanntschaft König Friedrichs VI.hatte Christiane auf eine eigenthümliche Art gemacht. Als diezwei Jahre von der Zeit meines Reisestipendiums verflossenwaren, wollten Schimmelmann und Reventlow mir die sechshundertThaler gern noch auf ein Jahr verschaffen; um aber[6]eines guten Ausfalles gewiß zu sein, da die Poesie nicht inbesonderer Gunst bei diesem guten, auf alles Nützliche väterlichbedachten Könige stand, wurde es bei Schimmelmann's folgendermaßenabgemacht: Christiane hatte sich in der letzten Zeit miteiner Freundin im Schönschreiben geübt und es darin weit gebracht.Nun mußte sie das Gesuch so schön, als möglich,schreiben und Schimmelmann brachte es zum Könige, dessengutes Herz dadurch gerührt wurde, daß eine Braut auf dieseWeise ihrem Bräutigam helfe; er bewilligte die Bitte, bewundertedie schöne Handschrift, und fragte, indem er mit dem Gesuchin das Cabinetsecretariat hineinging: „Kann Einer vonEuch so hübsch schreiben?“
Nach meiner Heimkehr machte ich dem Könige gleich meineAufwartung. Es demüthigte mich Etwas, daß er, als ich ihmmeinen Namen nannte, sagte: „So, so, Sie sind OehlenschlägersSohn!“ Meinen Vater kannte er natürlich vom königlichenSchloß her viel besser, als mich. Aber als das Gesprächgleich auf Axel und Valborg kam und er sagte: „Das Stückist vortrefflich!“ fühlte ich mich wieder getröstet. Durch Schimmelmann'sEinfluß auf den Herzog von Augustenburg und nachdessen Vorschlage, wurde ich kurz darauf als Professor derAesthetik bei der Universität angestellt, ohne daß ich darumnachsuchte. Nach den geltenden Regeln hatte ich eigentlich keineBerechtigung, denn ich hatte nur das lateinisch-juridische Vorbereitungsexamengemacht, wenn auch bereits vor 10 Jahreneine akademische Abhandlung geschrieben, die der Prämie würdigerkannt worden war, und dies hat vermuthlich zu mei