Hermann Hesse

Eine Stunde hinter
Mitternacht

Streute ewiger Lenz dort nicht auf stiller Flur

Buntes Leben umher? Spann nicht der Frieden dort

Feste Weben? Und blühte

Dort nicht ewig, was Einmal wuchs?

Novalis.

Verlegt bei Eugen Diederichs
Leipzig 1899

Inhalt

Der Inseltraum1
Albumblatt für Elise29
Die Fiebermuse31
Incipit vita nova36
Das Fest des Königs39
Gespräche mit dem Stummen63
An Frau Gertrud70
Notturno76
Der Traum vom Ährenfeld82

Der Inseltraum.

Eine langhin gewölbte, sanfte Welle hobmeinen Kahn mit dem gerundeten Bugauf das Gestein. Ein schiffbrüchigerTräumer verliess die Ruderbank und dehnte dieArme dem stummen Lande entgegen. Mein purpurnerMantel war mürbe geworden und warfvon den Hüften abwärts weiche demütige Falten.Meine Arme und mein Hals waren von Rudernund Fasten mager geworden, mein Haar war langgewachsen und bog sich in dichter Fülle in denNacken. In dem dunkelgrünen, stillen Gewässerder Bucht lag mein Spiegelbild gebreitet, und ichsah, dass auf der langen Fahrt alles an mir andersgeworden war, brauner, schlanker und biegsamer.Auf meinen Wangen hatten grausame StundenDenkmale ihrer Gefahren und Niederlagen undÜberwindungen geschaffen. Alle Morgen ohneSonne, an denen ich mit wunden Gliedern anmein Fahrzeug geklammert hing, alle Stürme,die mir die Abgründe des Meeres zeigten, hattensich mir in Ecken und Furchen mit tiefer Schriftauf Wangen und Hals geschrieben.

Aber meine Augen standen klar in weiten Höhlen,mit wachsamen Kinderblicken. Sie hattenviele Nächte durchwacht und nach den ewigenSternen gesucht und die farbigen Nächte desMeeres aufmerksam durchdrungen nach aufsteigendenSegeln oder Gestaden. Sie hatten vieleTage lang keinen Staub gesehen und selten nur mitlächelnder Sehnsucht von ferne das Grün vorübergleitenderWälder und den Rauch aus fernen,verborgenen Städten gestreift. Nun lachten siehell und gross mich aus dem glatten Spiegel an.Und nun tranken sie den lange entbehrten Anblickder weissen S

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